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Newsletter: Öffentlicher Sektor – OKtober 202417 October 2024

Willkommen zu unserer Oktober 2024 Ausgabe des Öffentlichen Sektor Newsletters von Watson Farley & Williams.

In der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters möchten wir wieder über derzeitigen Entwicklungen im Bereich des öffentlichen Sektors informieren.

Der Entwurf des Vergabetransformationspaktes – mit dem Thema des Monats möchten wir Ihnen einen ersten Überblick über die (sehr) lange angekündigten Neuerungen im Vergaberecht geben. Ob die erhofften Vereinfachungen eintreten und innovativen Ansätze tatsächlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass das öffentliche Auftragswesen zunehmend als Instrument zur Umsetzung von Aspekten der Nachhaltigkeit genutzt werden soll und die damit einhergehenden gesetzlichen Neuerungen ein Umdenken bei den Beschaffungsstellen erfordern wird.

Zudem haben wir wieder eine Auswahl praxisrelevanter Entwicklungen in der Gesetzgebung sowie aktueller vergaberechtlicher Entscheidungen zusammengestellt.

Für das Jahresende 2024 haben wir bereits wieder einige Veranstaltungen vorbereitet – wir würden uns freuen, Sie in dem ein oder anderen Format als Teilnehmer:in begrüßen zu dürfen.

Handshake

THEMA DES MONATS

Entwurf des Vergabetransformationspaktes – Überblick über die wesentlichen Neuerungen

Fast zwei Jahre nach der Ankündigung hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) den Referentenentwurf zum sog. Vergabetransformationspaket am 30.09.2024 an die entsprechenden Ressorts versendet.

Der Entwurf setzt die bereits im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grüne festgeschrieben Ziele öffentliche Vergabeverfahren zu vereinfachen, zu digitalisieren und zu beschleunigen weitestgehend um. Einen Schwerpunkt legt das BMWK dabei einerseits auf die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens und andererseits auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten.

Die geplanten Änderungen und Maßnahmen betreffen dabei vier wesentliche Handlungsfelder, die nachfolgend im Überblick zusammengefasst werden.

I. Maßnahmen zur umweltbezogenen nachhaltigen Beschaffung

Mit der Einführung des § 120a des Entwurfs soll die Berücksichtigung umweltbezogener und sozialer Aspekte in öffentlichen Beschaffungen verstärkt werden. Bisher stand es öffentlichen Auftraggebern frei, Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen. Nunmehr soll durch die als „Zentralnorm“ bezeichnete Regelung des § 120a mindestens ein soziales oder ein umweltbezogenes Kriterium bei der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens berücksichtigt werden.

Nachhaltigkeits- und soziale Aspekte können dabei sowohl in der Leistungsbeschreibung als auch als Mindestanforderungen im Rahmen der Eignungsprüfung (z.B. durch Zertifikate) oder als Zuschlagskriterium festgelegt werden.

II. Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung von Vergabeverfahren

Wesentliche Änderungen, die der Referentenentwurf in Bezug auf Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung von Vergabeverfahren vorsieht, sind, die vereinfachte Rechtfertigung einer Gesamtvergabe, die Herabsetzung der Anforderungen an die Leistungsbeschreibung sowie die Erleichterung im Rahmen öffentlich öffentlicher Zusammenarbeit. Letztere soll insbesondere durch eine Konkretisierung der Regelungen in § 108 GWB zu mehr Rechtssicherheit beitragen.

III. Maßnahmen zur Digitalisierung des Vergabeverfahrens

Hierbei sollen nach dem Referentenentwurf insbesondere die Nachprüfungsverfahren digitalisiert werden. Dies betrifft zum einen die Einreichung von Schriftsätzen und zum anderen die Gewährung von Akteneinsicht. Die Akten sollen zukünftig vornehmlich digital zur Verfügung gestellt werden. Zudem sollen durch entsprechende Ergänzung des § 28 VgV auch Markterkundungen im Vorfeld einer Ausschreibung vornehmlich digital durchgeführt werden.

IV. Maßnahmen zur Förderung von KMU und Start-ups

Zudem soll die Vergabetransformation den Mittelstand stärken, Start-ups fördern und die innovative Beschaffung vorantreiben. Dazu sollen Auftraggeber zukünftig zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen sowie zur Berücksichtigung besondere Umstände von kleinen und insbesondere jüngeren Unternehmen bei der Festlegung von Eignungsanforderungen verpflichtet werden. Dadurch soll diesen die Teilnahmemöglichkeit erleichtert werden.

V. Ausblick

Der Referentenentwurf enthält gute Ansätze zur Umsetzung der bereits im Koalitionsvertrag festgesetzten Ziele. Zu begrüßen sind insbesondere die Ansätze zur Flexibilisierung und Digitalisierung. Insbesondere der Nachhaltigkeitsansatz als zentraler Aspekt eröffnet vielfältige Ausgestaltungsmöglichkeiten, die es öffentlichen Auftraggebern ermöglichen auch innovative Lösungsansätze z.B. die Betrachtung von Lebenszykluskosten, CO2 Schattenpreise, etc. bei der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen.

Gleichwohl bleibt abzuwarten, ob es im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens zu Änderungen bzw. wesentlichen Überarbeitungen kommt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch die Europäische Kommission derzeit an einer Reform der Vergaberichtlinien arbeitet, so dass sich weitere Implikationen zur Anpassung für den Gesetzgeber ergeben können.

AKTUELLE ENTWICKLUNGEN

Vertrauen ist gut, aber Kontrolle besser (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.06.2024 – Verg 36/23)

1. Grundsätzlich darf ein öffentlicher Auftraggeber darauf vertrauen, dass die Bieter ihre vertraglichen Zusagen auch erfüllen werden.

  1. Ergeben sich allerdings konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies zweifel-haft ist, ist der öffentliche Auftraggeber – bevor er das Angebot ausschließt – gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens beziehungsweise die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu verifizieren.

Der öffentliche Auftraggeber ist dabei in der Wahl seiner Überprüfungsmittel grundsätzlich frei. Im Interesse einer zügigen Umsetzung der Beschaffungsabsicht und einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens und aus Gründen seiner begrenzten Ressourcen und administrativen Möglichkeiten ist der Auftraggeber insbesondere nicht auf eine bestimmte Methode oder bestimmte Mittel der fachlichen Prüfung festgelegt.

Austritt aus einer Bietergemeinschaft zugleich Ausscheiden aus Vergabeverfahren? (EuGH, Urteil vom 26.09.2024 – Rs. C-403/23)

Der EuGH hat entschieden, dass Art. 47 Abs. 3 und Art. 48 Abs. 4 der RL 2004/18/EG in Verbindung mit dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es den ursprünglichen Mitgliedern einer Bietergemeinschaft verwehrt, aus dieser Bietergemeinschaft auszutreten, wenn die Gültigkeitsdauer des von dieser Bietergemeinschaft eingereichten Angebots abgelaufen ist und der öffentliche Auftraggeber um die Verlängerung der Gültigkeit der Angebote ersucht. Dies gilt, sofern die übrigen Mitglieder die Anforderungen des Auftraggebers weiterhin erfüllen und ihre Teilnahme die Wettbewerbssituation der übrigen Bieter nicht beeinträchtigt.

Daher verletzt eine Regelung, die eine Aufrechterhaltung der rechtlichen und tatsächlichen Identität einer Bietergemeinschaft strikt vorschreibt, offensichtlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Produktfestlegung und unmittelbare Beauftragung nicht ohne vorherige Markterkundung (OLG Hamburg, Beschluss vom 06.04.2023 – 1 Verg 1/23)
  1. Eine Vergabe von Aufträgen im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb darf erfolgen, wenn der Auftrag zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, dies darauf beruht, dass aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist, es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.
  2. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Anbieter zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten zur Leistung in der Lage ist, kommt es nicht darauf an, ob die Leistung sofort, also gleichsam auf der Stelle erbracht werden kann. Das zur aktuellen Erfüllung eines Auftrags erforderliche Material herbeischaffen kann auch ein Unternehmen, das sich das Material innerhalb angemessen kurzer Zeit besorgen kann.
  3. Eine Vergabe von Aufträgen im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb setzt ein vorheriges Markterkundungsverfahren voraus. Anderenfalls kann der öffentliche Auftraggeber das Nichtvorhandensein vernünftiger Alternativen oder Ersatzlösungen nicht darlegen und beweisen.

Auftraggeber tragen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Auf-trag zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann. Hierzu kommt der Durchführung eines vorherigen Markterkundungsverfahrens essentielle Bedeutung zu; denn wie ein öffentlicher Auftraggeber im Bestreitensfall das Nichtvorhandensein vernünftiger Alternativen oder Ersatzlösungen ohne eine Erforschung des dazu relevanten Marktes zuverlässig einschätzen, darlegen und notfalls sollte beweisen können, ist nicht er sichtlich.

Zulässigkeit von Gesamtvergaben nur nach umfassender vorhabenspezifischer Abwägung (OLG Rostock, Beschluss vom 18.07.2024 – 17 Verg 1/24)
  1. Das Absehen von der Losaufteilung kommt nur dann in Betracht, wenn sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen. Objektiv zwingender Gründe für die zusammenfassende Vergabe bedarf es demgegenüber nicht.
  2. Bei der Prognose der Vor- und Nachteile der Losvergabe, deren Gewichtung und der Abwägung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu.
  3. Bei der Abwägung der für und gegen die Losaufteilung sprechenden Gründe sind die typischen Vor- und Nachteile mit der vom Gesetzgeber vorgegebenen Gewichtung zu berücksichtigen und um die im Einzelfall bestehenden Besonderheiten zu ergänzen.

Aufgrund der Zielsetzung des Gesetzgebers, die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge auszugleichen, sollen öffentliche Auftraggeber von dem Gebot der Losvergabe aus § 97 IV 2 GWB nur in begründeten Ausnahmefällen abweichen können.

Verpflichtung zum Ausgleich wirtschaftlicher Wettbewerbsvorteile einzelner Bieter? (KG Berlin, Beschluss vom 01.03.2024 – Verg 11/22)
  1. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht verpflichtet, Wettbewerbsvorteile, die durch die unterschiedliche Marktstellung der Unternehmen bedingt sind, auszugleichen.
  2. Wettbewerbsvorteile, die sich daraus ergeben, dass das Bestandsunter-nehmen – anders als alle anderen Bieter – auf bestehende Infrastruktur (hier: Werkstattgrundstücke) zurückgreifen kann, bedürfen hingegen eines Wertungsausgleichs.

Die Bevorzugung eines Bestandsunternehmens gegenüber anderen Bietern ist damit nicht allein durch dessen Marktstellung oder seine überlegenen Erfahrungen und Informationen als Bestandsbieter begründet und gerecht-fertigt. Vielmehr muss eine solche auf Umständen beruhen, die ihm als Bestandsunternehmen aufgrund des konkret bestehenden geringeren Kostenaufwandes für das Angebot der nachgefragten Leistung ein günstigeres Angebot ermöglichen.

Vorsicht bei vorzeitigem Maßnahmenbeginn und Fördermitteln (VG Magdeburg, Urteil vom 25.03.2024 – 3 A 155/21)

Ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmebeginn liegt jedenfalls dann vor, wenn die einschlägige Förderrichtlinie eine klare Linie bei Leistungsphase 6 zieht und der Subventionsempfänger darüber informiert wurde, dass er im Rahmen einer Ausschreibung eingeschaltete Ingenieurbüros oder Architekten vor Erhalt der Förderzusage zur Wahrung der Förderfähigkeit nur mit Planungs- und Vorbereitungsleistungen bis einschließlich Leistungsphase 6 beauftragen soll.

Beginnt ein Zuwendungsempfänger mit Maßnahmen zur Verwendung der Fördermittel noch bevor ihm der Bewilligungsbescheid erteilt wurde, obwohl nach der ausdrücklichen Regelung der einschlägigen Fördermittel-richtlinie solche Maßnahmen erst nach der Erteilung der Fördermittelzusage vorgenommen werden dürfen, so kann der Zuwendungsgeber den Zuwendungsbescheid zurücknehmen und die Subvention zurückfordern.

Durch Schaffung vollendeter Tatsachen vor Erlass des Zuwendungsbescheids kann seitens der Zuwendungsempfänger kein Rechtsanspruch auf eine spätere Förderung abgeleitet werden.

balance of justice

VERÖFFENTLICHUNGEN

Rechtsrahmen für losweise Vergabe und Gesamtvergabe, in: Pauka/Bartetzky-Olbermann, Praxishandbuch IT-Vergabe

Dr. Felix Siebler LL.M.
Juni 2024, Werner Verlag

Einsatz von Lebenszykluskosten bei der Vergabe von Großprojekten, in: E-ßig/v. Deimling, Lebenszykluskostenmanagement: Strategische (Kosten-)Steuerung komplexer Beschaffungsvorhaben

Dr. Felix Siebler LL.M.
im Erscheinen, Springer Verlag

Kommunale Handlungsmöglichkeiten in der Nah- und Fernwärmeversorgung nach dem Urteil des BGH v. 5.12.2023

Dr. Felix Siebler LL.M.; Josephine Stange
InfrastrukturRecht, Ausgabe Mai 2024

Möglichkeiten und aktuelle Anforderungen an die Überprüfung von Leistungszusagen – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?

Dr. Felix Siebler LL.M.
im Erscheinen, ZfBR

Veranstaltungen

VeranstaltungenDatum
Webinar: Kommunale Handlungsmöglichkeiten in der Nah- und Fernwärmeversorgung (nach dem BGH-Urteil v. 05.12.2023) – Fachbeitrag in Veranstaltung der Humboldt-Universität zu Berlin zur Wärmewende05.11.2024
Webinar: Deutsches Vergabenetzwerk (DVNW): Das neue Vergabetransformationspaket – Übersicht über wesentliche Neuerungen 06.11.2024
11. Deutscher Vergabetag des DVNW: Lebenszykluskosten – Abbildung von Nachhaltigkeit als Preiskriterium14. - 15.11.2024,
Berlin
Webinar: Ausschreibung von Modellen des Mitarbeiterfahrradleasing im Wege der Entgeltumwandlung21.11.2024

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