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Steueroasen-Abwehrgesetz – Hinweise zur Anwendung durch kürzlich final veröffentlichtes BMF-Schreiben der Finanzverwaltung25 June 2024

Vorgestellt werden praxisrelevante Aspekte des Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) und des BMF-Schreibens mit Fokus auf Unternehmen aus der Schifffahrt und die Finanzierungsbranche.

"Die Abwehrmaßnahmen können Steuerpflichtige mit Geschäftsbeziehungen zu Staaten der Schwarzen Liste der EU treffen."

Das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) wurde am 25. Juni 2021 eingeführt und umfasst verschiedene Abwehrmaßnahmen, die nicht kooperative Staaten für Steuerzwecke dazu bewegen sollen, auf EU-Ebene international verabredete Standards für Transparenz, faire Besteuerung und Maßnahmen gegen Gewinnkürzung und -verschiebung einzuführen. Ansonsten werden die nicht kooperativen Staaten auf eine entsprechende Liste der EU gesetzt (sog. „Schwarze Liste“ der EU). Die Abwehrmaßnahmen können Steuerpflichtige treffen, die Geschäftsbeziehungen in oder mit Bezug zu Staaten der Schwarzen Liste der EU unterhalten (sog. schädliche Geschäftsbeziehungen), und sollen somit zu deren Eindämmung führen, auch wenn dies in der Praxis teilweise nicht bzw. schwer möglich sein wird.

Nunmehr hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nach ca. einem halben Jahr eines veröffentlichten Entwurfsschreibens allgemein zum StAbwG die Auffassung der Finanzverwaltungen finalisiert und mit Datum vom 14. Juni 2024 veröffentlicht (sog. BMF-Schreiben).

Praxisrelevante ausgewählte Aspekte des StAbwG und dieses BMF-Schreibens sind im Folgenden dargestellt, die beispielsweise für Unternehmen aus der Schifffahrt und dem Finanzierungsbereich von Bedeutung sein können mit dem Fokus auf internationale Beziehungen mit Dritten.

Abwehrmaßnahmen des StAbwG (§§ 9 bis 11 StAbwG)

Folgende Abwehrmaßnahmen existieren unter dem StAbwG:

  • Verbot des Betriebsausgabenabzugs (frühestens anwendbar ab 1. Januar 2025);
  • Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, die insbesondere beherrschende Beteiligungen an in Staaten der Schwarzen Liste der EU ansässigen Zwischengesellschaften im Fokus hat, aber hiervon z.B. auch Betriebsstätten erfasst sein können;
  • Erweiterte Quellenbesteuerung, die zur Abzugsverpflichtung eines in Deutschland Steuerpflichtigen (d.h. z.B. auch mit einer Betriebsstätte in Deutschland) führen kann; und
  • Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen.

Insbesondere das Verbot des Betriebsausgabenabzugs und die Erweiterte Quellenbesteuerung sollten von Relevanz sein. Dies gilt beispielsweise für Unternehmen aus der Schifffahrt und dem Finanzierungsbereich, wobei das Verbot des Betriebsausgabenabzugs bei Anwendung der deutschen Tonnagebesteuerung durch Schifffahrtsbetriebe an Bedeutung verliert.

Die Abwehrmaßnahmen sollen unabhängig von einem Doppelbesteuerungsabkommen Anwendung finden. Zur Klarstellung: Die Abwehrmaßnahmen finden keine Anwendung auf Umsatzsteuer (VAT), einschließlich Einfuhrumsatzsteuer, Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern.

Aktuelle „Schwarze Liste“ der EU (Stand: 20. Februar 2024)

Bis zur nächsten Überarbeitung (geplant für Oktober 2024) sind aktuell folgende Staaten als nicht kooperativ für Steuerzwecke von der EU eingestuft („Nicht kooperative Staaten“):

  • Amerikanisch-Samoa
  • Anguilla
  • Antigua und Barbuda
  • Fidschi
  • Guam
  • Palau
  • Panama
  • Russland
  • Samoa
  • Trinidad und Tobago
  • Amerikanische Jungferninseln
  • Vanuatu

Im letzten Update wurden folgende Staaten von der Schwarzen Liste gestrichen: Bahamas, Belize, Seychellen und Turks- und Caicoinseln. Hinweis: Marshallinseln wurden bereits am 17. Oktober 2023 gestrichen.

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"Besondere Relevanz haben hierbei Betriebsausgabenabzugsverbote und Quellensteuerabzugsverpflichtungen."

Es kann zu unterschiedlicher zeitlicher Anwendung der Abwehrmaßnahmen in Bezug zu den jeweiligen Staaten der Schwarzen Liste der EU kommen. Beispielsweise findet für den Staat Panama die Erweiterte Quellenbesteuerung bereits ab 1. Januar 2022 Anwendung, aber das Verbot des Betriebsausgabenabzugs wird (voraussichtlich) erst ab 1. Januar 2025 anzuwenden sein.

Praxisrelevante Aussagen des BMF-Schreibens

1.    (Keine) Schädliche Geschäftsbeziehungen

Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind schädliche Geschäftsbeziehungen solche, die einen Berührungspunkt zu einem Nicht-kooperativen Staat aufweisen, bezogen auf die Tätigkeit des jeweils betroffenen Steuerpflichtigen in Deutschland (z.B. GmbH, GmbH & Co. KG oder Betriebsstätte in Deutschland). Es wird klargestellt, dass es auf eine etwaige Tätigkeit der übrigen Beteiligten nicht ankommen solle. Dies ist zu begrüßen, gerade da der Wortlaut sehr weit verstanden werden könnte. Folgende Beispiele sollen dazu herausgegriffen werden:

  • Bei Versicherungsverhältnissen soll auf die Ansässigkeit der Vertragsparteien (Versicherungsgeber und Versicherungsnehmer) und nicht auf die Risikobelegenheit abgestellt werden. Dies kann insbesondere für den Betriebsausgabenabzug des Versicherungsnehmers oder einer Quellensteuerabzugsverpflichtung des Versicherungsnehmers relevant sein.
  • Entsprechendes gilt für Darlehen oder anderen Finanzierungsbeziehungen. Es soll nur auf das Verhältnis zwischen Darlehensgeber (z.B. Kreditinstitut) und Darlehensnehmer abgestellt werden, aber nicht auch auf den finanzierten Gegenstand (Asset). Dies sollte auch für Dienstleistungen eines Kreditinstituts gelten. Die Ausführung einer Überweisung in einen Nicht-kooperativen Staat oder der Erwerb eines Wertpapiers aus einem Nicht-kooperativen Staat durch ein Kreditinstitut als Dienstleister/Zahlungsabwickler, soll dagegen keine schädliche Geschäftsbeziehung sein. Dies kann insbesondere für den Betriebsausgabenabzug oder eine Quellensteuerabzugsverpflichtung des Darlehensnehmers bzw. einer Erweiterten Quellenbesteuerung des Darlehensgebers relevant sein.

Abzustellen ist hierbei jeweils auf die dahinterstehenden Personen bzw. Gesellschaften, sofern die Vertragsparteien Personengesellschaften oder ähnliche steuerlich transparente Vehikel sein sollten.

Für die Schifffahrt spezifisch stellt die Finanzverwaltung fest, dass ein Nutzungsentgelt für das Durchfahren eines Kanals (derzeit der Panamakanal) an die Kanalbehörde oder eine Gebühr für die Ausstellung einer Durchfahrtsgenehmigung sowie das Entgelt an das Schlepperunternehmen für die erforderliche Unterstützung beim Manövrieren durch Schlepper keine schädlichen Geschäftsbeziehungen sind. Damit können die Entgelte (weiterhin) als Betriebsausgaben abgezogen werden und es besteht keine Erweiterte Quellensteuerpflicht.

Allgemein sieht die Finanzverwaltung öffentlich-rechtliche Leistungspflichten sowie mit diesen in einem engen sachlichen Zusammenhang stehende, obligatorische und nicht abdingbare Nutzungs- und Dienstleistungsbeziehungen nicht als schädliche Geschäftsbeziehung an, was ebenfalls zu begrüßen ist.

2.    Erweiterte Quellenbesteuerung (§ 10 StAbwG)

a.  Einführende Übersicht

Wenn nicht bereits eine beschränkte Steuerpflicht (nach § 49 EStG) und damit grundsätzlich eine Steuerabzugsverpflichtung nach bisher anwendbaren Vorschriften besteht, ergeben sich Erweitere Quellensteuerpflichten für Einkünfte aus

  1. Finanzierungsbeziehungen;
  2. Versicherungs- oder Rückversicherungsprämien;
  3. der Erbringung von Dienstleistungen (andere als solche der Nummern 1 und 2), wobei Nutzungsüberlassungen ausgenommen sind;
  4. der Handel mit Waren oder Dienstleistungen (im Sinne der Nummer 3)
  5. die Vermietung und Verpachtung oder die Veräußerung von Rechten, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind.

Die Finanzverwaltung stellt im BMF-Schreiben klar, dass bei Vorliegen einer beschränkten Steuerpflicht nach dem (bisherigem) § 49 EStG die Erweiterte Quellenbesteuerung nicht anzuwenden sei (was dem Wortlaut entspricht). Sofern die Finanzbehörden bisher von einer Quellensteuerabzugsverpflichtung (gemäß § 50a Abs. 7 EStG) keinen Gebrauch gemacht haben, kann sich dies ändern, wenn die Voraussetzungen der Erweiterten Quellenbesteuerung erfüllt sind.

Anmerkung: Bei fremdfinanzierten Schiffen kann z.B. bereits eine beschränkte Steuerpflicht des Darlehensgebers für die Finanzierungsbeziehung bestehen, wenn das Schiff in einem inländischen Schiffsregister eingetragen ist.

"Zahlungen auf Finanzierungsbeziehungen und Time-Charter-Verträge können z.B. einem Quellensteuerabzug unterliegen."

b.  Finanzierungsleasing

Ob und inwieweit bei einem Finanzierungsleasing eine quellensteuerabzugspflichtige Finanzierungsbeziehung gegeben ist, oder eine nicht beachtliche Nutzungsüberlassung soll sich insbesondere nach der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums am Leasinggegenstand ergeben.

c.  Dry- vs. Wet-Lease und Bareboat- vs. Time-Charter

Während die Erbringung von Dienstleistungen zu einer Erweiterten Quellenbesteuerung führt, sind hiervon Nutzungsüberlassungen ausgenommen. Die Finanzverwaltung grenzt im BMF-Schreiben Leasingverhältnisse für Fahrzeuge wie z.B. Schiffe im Hinblick auf Dry-Lease und Wet-Lease und im Speziellen Frachtverträge ab. Dry-Lease oder auch Bareboat-Charter führen als bloße Nutzungsüberlassung nicht zu einer Erweiterten Quellenbesteuerung.

Dagegen beinhalten Wet-Lease und Time-Charter neben einer Nutzungsüberlassung auch Dienstleistungselemente (z.B. Gestellung der Crew bzw. Kapitäne und Schiffsoffiziere). Die Gegenleistung ist aufzuteilen, und der Teil der auf die Dienstleistungselemente entfällt, unterliegt der Erweiterten Quellensteuerpflicht.

d.  Handel mit Waren oder Dienstleistungen

Zum Handel mit Waren oder Dienstleistungen nimmt die Finanzverwaltung wenig Stellung. Betroffen könnten beispielsweise Bunker bzw. Dieselkraftstoff sein.

3.    Verbot des Betriebsausgabenabzugs (§ 8 StAbwG)

"Nach dem BMF-Schreiben sollen die gesteigerten Mitwirkungspflichten erfreulicherweise nur zu erfüllen sein, wenn auch mindestens eine Abwehrmaßnahme eingreift."

Sofern keine erweiterte Quellenbesteuerung anwendbar ist, kommt das Verbot des Betriebsausgabenabzugs in Betracht.

Es wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass auch Abschreibungen für Abnutzung und Teilwertabschreibungen (z.B. Darlehensforderungen) einzubeziehen sind.

4.    Gesteigerte Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten (§ 12 StAbwG)

Alle Geschäftsvorgänge (in oder mit Bezug zu) Nicht-kooperativen Staaten unterliegen erhöhten Mitwirkungspflichten und erfahren erweiterte Aufzeichnungspflichten, die bei den zuständigen Finanzbehörden einzureichen sind. Die Frist hierfür beträgt ein Jahr nach Ablauf des betreffenden Kalender- bzw. Wirtschaftsjahres.

Nach Ausführungen der Finanzverwaltung sollen die gesteigerten Mitwirkungspflichten nur zu erfüllen sein, wenn auch mindestens eine Abwehrmaßnahme eingreift. Diese einschränkende Auslegung des doch recht offenen Wortlauts ist grundsätzlich erfreulich, da sich hiermit auf die „relevanten“ Fälle beschränkt wird. Im Unklaren bleibt jedoch, ob die gesteigerten Mitwirkungspflichten bei Anwendung der deutschen Tonnagebesteuerung auch diese Schifffahrtsbetriebe treffen, wenn es lediglich um die sich im Ergebnis nicht auswirkende Abwehrmaßnahme des Betriebsausgabenabzugsverbots geht.

Zu den Aufzeichnungspflichten gehören z.B. Aufzeichnungen über die Geschäftsbeziehung (Art und Umfang), die zugrunde liegenden Verträge samt vereinbarte Vertragsbedingungen (einschließlich Veränderungen), die Geschäftsstrategien und die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse, die für die Besteuerung von Bedeutung sind.

Für den Nachweis des Nicht-Vorliegens von Geschäftsvorgängen mit Nicht-kooperativen Staaten und damit der entsprechenden Nicht-Anwendung gesteigerter Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten, können KYC-Prozesse dienen. Die Finanzverwaltung stellt grundsätzlich bei Finanzinstituten auf die vollumfängliche Erfüllung der KYC-Prozesse für sämtliche relevanten Vorschriften außerhalb des StAbwG (z.B. Geldwäschegesetz) ab.

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