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Neue Regelungen im Energiewirtschaftsrecht: Chancen durch Überbau von Netzanschlüssen und flexible Netzanschlussverträge12 March 2025

Mit der aktuellen Novelle des Energiewirtschaftsrechts setzt der Gesetzgeber neue Impulse zur besseren Integration erneuerbarer Energien. Die Reform umfasst in dem „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“ unter anderem eine verstärkte Flexibilisierung der Netznutzung und neue Anreize für den Netzanschluss von Speichertechnologien.

"Mit der aktuellen Novelle des Energiewirtschaftsrechts setzt der Gesetzgeber neue Impulse zur besseren Integration erneuerbarer Energien. "

Wesentlich für Anlagenbetreiber sind die Möglichkeiten des Überbaus von Netzanschlüssen sowie die Einführung flexibler Netzanschlussverträge. Mit diesem neuen rechtlichen Instrumentarium soll das immer häufiger auftretende Problem fehlender Netzanschlusskapazitäten abgemildert werden. Zu beobachten ist in jüngerer Zeit, dass geplante Erneuerbare-Energien-Anlagen aufgrund von Netzengpässen nicht, erst spät und / oder zu hohen eigenen Kosten an das Netz angeschlossen werden können. Netzengpässe sind damit zum „bottleneck“ der Energiewende geworden. Mit der Überbauung von Netzanschlüssen und dem Abschluss flexibler Netzanschlussverträge kann dieses Projekthindernis teilweise beseitigt oder jedenfalls häufig abgemildert werden. Auf diesem Wege können Windenergie-, Photovoltaikanlagen sowie Batterie-Energiespeichersysteme zusammen angeschlossen werden.

Insgesamt soll die Gesetzesnovelle eine Antwort auf die volatile Stromerzeugung erneuerbarer Energien darstellen. Die neuen Regelungen sind aber nicht auf den Anschluss von EE-Anlagen oder Erzeugungsanlagen beschränkt.

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"Die Neuerungen bieten für Projektentwickler und Anlagenbetreiber neue Anschlusskonzepte und wirtschaftliche Vorteile, bringen aber auch neue vertragliche Herausforderungen mit sich."

Die Neuerungen bieten für Projektentwickler und Anlagenbetreiber neue Anschlusskonzepte und wirtschaftliche Vorteile, bringen aber auch neue vertragliche Herausforderungen mit sich. Im Folgenden gehen wir auf die zentralen Punkte ein, die Betreiber bei der Nutzung dieser Optionen beachten sollten.

Überbau von Netzanschlüssen: mehr Erzeugungskapazität trotz Netzrestriktionen

Bisher mussten Betreiber ihre Anlagenleistung strikt an die vorhandene Netzanschlusskapazität anpassen. Die neue Gesetzgebung erlaubt nun ausdrücklich den Überbau von Netzanschlüssen, also die Installation von Erzeugungsanlagen mit einer höheren Nennleistung als die tatsächlich verfügbare Anschlusskapazität am Netzverknüpfungspunkt. Das gilt auch für Anlagen, die zusätzlich an einen Netzverknüpfungspunkt angeschlossen werden.

Dies hat eine Reihe von Vorteilen:

  • höhere durchschnittliche Netzauslastung: Da Erzeugungsanlagen selten ihre maximale Leistung gleichzeitig abrufen, bleibt ungenutztes Potenzial bestehen, das nun wirtschaftlich genutzt werden kann;
  • bessere Ertragsmöglichkeiten: Betreiber können durch eine optimierte Netznutzung und flexiblere Vermarktung höhere Einnahmen erzielen;
  • Kosteneffizienz: Anlagenbetreiber sparen Netzausbaukosten und vermeiden lange Wartezeiten für neue Netzanschlüsse; und
  • Beschleunigung: Der Netzanschluss neuer Anlagen wird beschleunigt, weil an den geplanten Standorten nicht zwingend ein Netzausbau abgewartet werden muss.

Flexible Netzanschlussverträge: vertragliche Absicherung der Überbaumöglichkeit

Die Möglichkeit der Überbauung wird regulatorisch abgesichert durch die Einführung flexibler Netzanschlussverträge. Diese werden zwischen dem Netzbetreiber und dem Anlagenbetreiber geschlossen, müssen gewisse gesetzliche Mindestanforderungen erfüllen (siehe dazu sogleich) und dienen primär der Einhaltung der maximalen Wirkleistungseinspeisung.

Die Neuregelung zum Überbau von Netzanschlüssen und flexiblen Netzanschlussverträgen findet sich in den neu eingeführten § 8 Abs. 2 und § 8a EEG 2023.

a) Cable pooling

Nach der Grundregel des § 8 Abs. 2 EEG soll der Anlagenbetreiber nun auch die Wahl eines Netzverknüpfungspunktes haben, der bereits von einer bestehenden Anlage eines anderen Anlagenbetreibers und / oder einer anderen Anlagetyps in Form einer Speicheranlage genutzt wird. Die rechtlich zulässige Möglichkeit dieses sogenannten „cable pooling“ wird nun in § 8 Abs. 2 S. 2 EEG festgeschrieben. Damit soll regulatorisch abgesichert werden, was teils bereits in der Praxis umgesetzt wurde.

Die Regelung des neuen § 8 Abs. 2 S. 2 EEG erweitert die Rechte des Anlagenbetreibers nach dem bisherigen § 8 Abs. 2 EEG (jetzt Abs. 2 S. 1). Danach kann der Anlagenbetreiber auch einen Netzverknüpfungspunkt wählen, der bereits von einer bestehenden Anlage genutzt wird. Die Begründung des Gesetzesentwurfs spricht sogar von einem Recht des Anlagenbetreibers auf cable pooling. Diese Formulierung ist aber mit Vorsicht zu genießen, denn die Möglichkeit des Anlagenbetreibers zum cable pooling ist, ebenso wie das Recht des Anlagenbetreibers auf einen anderen Verknüpfungspunkt aus § 8 Abs. 2 S. 1 EEG, begrenzt: zum einen dadurch, dass der Netzbetreiber keine netzbetrieblichen Bedenken gegen das cable pooling hat, vgl. die Begründung des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen, Bundestag-Drucksache (BT-Drs.) 20/14235, S. 71. Zum anderen muss der Betreiber der bestehenden Anlage der Mitnutzung zustimmen. Ob dieses Zustimmungserfordernis auch gelten kann, wenn für den schon angeschlossenen Betreiber mit der Mitnutzung keine Einschränkungen seiner Eigentums- und Einspeiserechte einhergehen, ist nicht ausgemacht. Der Wortlaut der Gesetzesnovelle schränkt das Zustimmungserfordernis des Betreibers der Bestandsanlagen aber nicht weiter ein.

b) Flexible Netzanschlussvereinbarung

Kommt es beim cable pooling zu einer Überbauung des Netzanschlusses, muss eine Begrenzung der maximalen Wirkleistungseinspeisung der Anlagenbetreiber mit dem Netzbetreiber vereinbart werden.

Die Anforderung an eine sogenannte flexible Netzanschlussvereinbarung sind ausführlich in dem neu eingeführten § 8a EEG geregelt. Das Gesetz gibt einige (nicht abschließende) Pflichtinhalte für die Regelungen der flexiblen Netzanschlussvereinbarungen vor:

  • die Pflicht der Anlagenbetreiber zur Einhaltung der Wirkleistungsbegrenzung ist jederzeit durch geeignete technische Maßnahmen sicherzustellen, welche § 8a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 4 EEG;
  • die Haftung des Anlagenbetreibers bei Überschreitung der maximalen Wirkleistungseinspeisung;
  • das Einverständnis anderer Anlagenbetreiber oder Betreiber von Stromspeichern, soweit diese über denselben Netzverknüpfungspunkt angeschlossen sind oder gleichzeitig angeschlossen werden sollen. In diesem Fall muss die flexible Netzanschlussvereinbarung zudem folgende Regelungen beinhalten:
    • die gemeinsame Verantwortung der Betreiber für die Einhaltung der Regelungen der flexiblen Netzanschlussvereinbarung; und
    • die gesamtschuldnerische Haftung aller gemeinsam einspeisender Betreiber bei Überschreitung der maximalen Wirkleistungseinspeisung.

Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Bundesnetzagentur künftig weitergehende Regelungen zum Inhalt der flexiblen Netzanschlussvereinbarungen festlegt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Art. 6a der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie, auf den die neuen Regelungen im EEG zurückgehen, ausdrücklich vorsieht, dass eine (Regulierungs-)Behörde einen Rahmen für flexible Netzanschlussverträge erarbeitet. Für die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen einer flexiblen Netzanschlussvereinbarung sieht das der novellierte § 17 Abs. 4 EnWG künftig explizit vor.

"Der Netzbetreiber ist künftig verpflichtet, eine flexible Netzanschlussvereinbarung zu prüfen und das Ergebnis seiner Prüfung dem Anlagenbetreiber mit dem Ergebnis der Netzverträglichkeitsprüfung mitzuteilen, sofern der technisch und wirtschaftlich günstigste Netzverknüpfungspunkt nicht zugleich der örtlich nächste Netzverknüpfungspunkt ist."

Der Netzbetreiber ist künftig verpflichtet, eine flexible Netzanschlussvereinbarung zu prüfen und das Ergebnis seiner Prüfung dem Anlagenbetreiber mit dem Ergebnis der Netzverträglichkeitsprüfung mitzuteilen, sofern der technisch und wirtschaftlich günstigste Netzverknüpfungspunkt nicht zugleich der örtlich nächste Netzverknüpfungspunkt ist. Mit dieser Prüfungspflicht können Anlagenbetreiber sicherstellen, dass der Abschluss flexibler Netzanschlussverträge von Anfang an in den Planungen berücksichtigt wird.

Soweit über cable pooling mindestens zwei verschiedene Anlagenbetreiber gemeinsam einspeisen, setzt die Verpflichtung zur gemeinsamen Einhaltung der flexiblen Einspeisevereinbarung gegenüber dem Verteilernetzbetreiber eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Betreibern (Poolingvertrag) voraus, welche eine koordinierte Einspeisung entsprechend der flexiblen Netzanschlussvereinbarung sicherstellt. Darin sollte auch ein Messkonzept vorgesehen sein, durch das sich die eingespeisten Strommengen voneinander abgrenzen lassen, sowie Regelungen, wie mit der Netzanschlusskapazität umzugehen ist, wenn einige Anlagen aus dem cable pooling stillgelegt werden.

Abbildung: Vertragsbeziehungen bei gemeinsamer Einspeisung von zwei Anlagenbetreibern bei Überbau des Netzanschlusses

Drei Grundtypen der Leistungsbegrenzung

Aus den zwingenden inhaltlichen Vorgaben des Gesetzes für den flexiblen Netzanschlussvertrag, die Höhe der maximalen Wirkleistungseinspeisung zu regeln und der (nicht-zwingenden) Möglichkeit, sich auch auf Zeitfenster für unterschiedlich hohe maximale Wirkleistungseinspeisungen zu einigen, ergeben sich drei unterschiedliche Grundtypen flexibler Netzanschlussvereinbarungen:

  • statische Leistungsbegrenzung: Es wird in der flexiblen Netzanschlussvereinbarung eine Netzanschlussleistung in Höhe eines konstant vorgegebenen Maximalwertes unterhalb der installierten Anlagenleistung vereinbart;
  • dynamische Leistungsbegrenzung: Es wird in der flexiblen Netzanschlussvereinbarung eine Netzanschlussleistung in unterschiedlicher Höhe für jeweils vordefinierte Zeitfenster vereinbart (bspw. in der Mittagszeit eine niedrigere Einspeiseleistung der Windenergieanlage zugunsten einer Photovoltaikanlage als in der restlichen Zeit); und
  • volldynamische Leistungsbegrenzung: Es wird in der flexiblen Netzanschlussvereinbarung grundsätzlich die Einspeisung der maximalen Netzanschlussleistung ermöglicht – der Verteilernetzbetreiber erhält jedoch das Recht ereignisbedingt und je nach Auslastung die Höhe der Anschlussleistung, ggf. bis auf eine vereinbarte Untergrenze, zu beschränken. So wird eine höhere Auslastung in Zeiten, in denen es keinen Engpass gibt, ermöglicht.

Prüfungspflicht des Netzbetreibers

Schließlich verpflichtet die neue Regelung, in Umsetzung des Art. 6a der novellierten Strommarktrichtlinie, den Netzbetreiber dazu, die Möglichkeit des Abschlusses einer flexiblen Netzanschlussvereinbarung zu prüfen, wenn der Netzanschluss am nächstgelegenen Netzverknüpfungspunkt wegen eines Netzanschlusskapazitätsmangels im Rahmen der Netzverknüpfungspunktermittlung ausscheidet.

"Die neuen Regelungen zum Überbau von Netzanschlüssen und zu flexiblen Netzanschlussverträgen bieten Anlagenbetreibern erhebliche wirtschaftliche Vorteile, setzen jedoch eine sorgfältige vertragliche und technische Planung voraus."

Worauf Betreiber achten sollten

Beim Abschluss eines flexiblen Netzanschlussvertrags sollten Anlagenbetreiber insbesondere folgende Punkte prüfen.

a) Verfügbarkeit und Garantien

  • Welche Mindest-Netzkapazität ist dauerhaft garantiert?
  • Gibt es eine maximale Reduktion, die der Netzbetreiber durchsetzen darf?

b) Vergütungsregelungen

  • Werden Betreiber für die Bereitstellung flexibler Einspeisung vergütet?
  • Wie werden Entschädigungen geregelt, falls der Netzbetreiber die Einspeisung häufiger als geplant einschränkt?

c) Steuerung und Kommunikation

  • Welche technischen Anforderungen müssen Anlagenbetreiber erfüllen?
  • Wer trägt die Kosten für zusätzliche Steuerungseinrichtungen?
  • Ist eine hinreichende Abgrenzbarkeit zu Redispatch-Maßnahmen gewährleistet?

d) Laufzeit und Anpassungsmöglichkeiten

  • Wie lange gilt der Vertrag und gibt es Optionen zur Nachverhandlung?
  • Welche Kündigungsrechte bestehen für beide Seiten?

Fazit: Chancen nutzen, Risiken minimieren

Die neuen Regelungen zum Überbau von Netzanschlüssen und zu flexiblen Netzanschlussverträgen bieten Anlagenbetreibern erhebliche wirtschaftliche Vorteile, setzen jedoch eine sorgfältige vertragliche und technische Planung voraus.

Unsere Empfehlung: Anlagenbetreiber sollten vor Vertragsabschluss detaillierte wirtschaftliche und rechtliche Analysen durchführen. Wir unterstützen Sie gerne bei der regulatorischen Prüfung und Verhandlung Ihres Netzanschlussvertrags, damit Sie die neuen Möglichkeiten optimal nutzen können.

Für eine individuelle Beratung kontaktieren Sie uns gerne.

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